Co-Abhängigkeit: Wenn es nur noch ein “Wir” gibt
Wir haben Einfluss auf andere Menschen, aber genauso haben diese auch Einfluss auf uns. Wenn jemand unter einer Sucht leidet, kann das auch für Nahestehende zu einem psychischen Problem werden.
Eigentlich weißt Du, dass Dein Partner Dir Deine Energie raubt. Du weißt, dass er Dich ausnutzt, schlecht macht und Dein eigenes Selbstwertgefühl immer mehr angreift. Du fühlst Dich abhängig von ihm. Und genau deshalb bleibst Du. Vielleicht ist Dein Partner alkohol- oder medikamentenabhängig und Du hast bereits versucht ihm da raus zu helfen. Dein Partner ist zu deinem Lebensmittelpunkt geworden. Alles dreht sich um ihn, bis Du irgendwann nicht einmal mehr Deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen kannst.
Der Weg aus der Co-Abhängigkeit ist nicht leicht, trotzdem ist es wichtig, dass Du wieder zu Dir zurück findest und lernst Dein eigenes Leben zu leben.
Was bedeutet Co-Abhängigkeit?
Der Begriff Co-Abhängigkeit kommt aus dem Bereich der Suchterkrankungen und ist darauf zurückzuführen, dass bei einer Sucht immer auch die Menschen im Umfeld des Abhängigen betroffen sind. Denn oftmals sind es Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte der Betroffenen, die versuchen zu helfen, das Verhalten zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Häufig übernehmen die Menschen im Umfeld der Abhängigen dann Rollen, die sie selbst überfordert. Beispielsweise nehmen Kinder von Abhängigen eine Erwachsenenrolle an, um zu helfen. Dabei geht die Co-Abhängigkeit so weit, dass die eigene Person in den Hintergrund gerät und Betroffene nur noch für die abhängige Person da sind. Er fühlt sich dann ohnmächtig der Krankheit ausgeliefert. Das Gefühl von Ohnmacht ist hier bei dem Abhängigen und dem Co-Abhängigen gleich.
Wie erkennt man eine Co-Abhängigkeit?
Die Diagnose einer Co-Abhängigkeit wird insbesondere von Hausärzten festgestellt. Diese sollten auf bestimmte Anzeichen bei ihren Patienten achten und versuchen mit der betroffenen Person darüber zu sprechen. Im Mittelpunkt steht hierbei das Eingenommensein von der abhängigen Person und der Wunsch ihr zu helfen und die Sucht zu kontrollieren. Wenn der Betroffene beispielsweise immer wieder zu dem Süchtigen hin lenkt, nicht über sich selbst sprechen will und nur über die andere Person spricht, sind das Anzeichen für eine Co-Abhängigkeit. Als ein weiteres wichtiges Symptom zeigen Betroffene oft starke Scham- und Schuldgefühle. Sie sehen sich selbst als verantwortlich und zweifeln meist stark an sich selbst. Auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Erschöpfung, Freudlosigkeit, Nervosität, Gleichgültigkeit, Schlaflosigkeit, Herzbeschwerden oder Depressionen treten auf und können auf eine Co-Abhängigkeit hinweisen. Schlussendlich können Co-Abhängige selbst an einer Sucht erkranken, beispielsweise durch Medikamentenmissbrauch.
Es gibt in Deutschland geschätzt um die acht Millionen Co-Abhängige. Besonders betroffen sind Frauen, insbesondere Partnerinnen, Töchter und Mütter, da Suchterkrankungen hauptsächlich bei Männern vorkommen. Viele Kinder sind von der Suchterkrankung eines Elternteils betroffen, so hat ungefähr jedes zweite Kind, das in der Psychiatrie behandelt wird, Eltern mit einer Suchterkrankung. Da die Co-Abhängigkeit eine sehr verstrickte Erkrankung ist, ist es schwer, die genaue Anzahl der Betroffenen zu bestimmen.
Verlauf der Co-Abhängigkeit
Die Co-Abhängigkeit verläuft in drei Phasen. Beginnend mit der Entschuldigungs- und Beschützerphase, in der das Verhalten des Abhängigen gerechtfertigt und entschuldigt wird. Darauf folgt die Kontrollphase, in der der Co-Abhängige versucht die Kontrolle zurück zu gewinnen. Dabei wird sowohl versucht die Kontrolle über die andere Person zu gewinnen, z.B. durch das wegschütten von Alkohol als auch, das intakte Bild nach außen beizubehalten, indem das abhängige Verhalten versteckt wird. Die dritte Phase ist die Anklagephase. In dieser Phase kommt es zu einer Wende in der Beziehung, denn der Co-Abhängige richtet sich gegen den Abhängigen. Das abhängige Verhalten wird verachtet, indem der Co-Abhängige den anderen ausgrenzt, droht, Aggressivität ihm gegenüber zeigt und sich von ihm abwendet.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
In erster Linie geht es darum, dem Patienten zu helfen sich dieser Co-Abhängigkeit bewusst zu werden. Der Hausarzt kann dabei helfen diese Erkenntnis zu erlangen und damit die ersten Schritte zur Veränderung einzuleiten. Co-Abhängige fühlen sich meistens dem Abhängigen gegenüber schuldig. Diese Schuldgefühle schaden dem Betroffenen und sollten gemeinsam mit dem Hausarzt besprochen werden. So kann dieser dem Patienten helfen, die Frage der Verantwortung für sich zu klären. Oftmals unterstützen Selbsthilfegruppen, die speziell für Co-Abhängige gedacht sind, die Betroffenen dabei, den Weg zurück zu sich zu finden.
Aber auch eine ambulante Psychotherapie kann nötig sein, um gewisse Muster, die Patienten in der Co-Abhängigkeit erlernt haben, zu durchbrechen. Einige dieser Muster sind beispielsweise der konstante Fokus auf die Bedürfnisse des Partners und die starke Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse.
Zugegeben: Der Weg aus der Co-Abhängigkeit ist nicht einfach und kann sehr lange dauern. Trotzdem ist es wichtig, dass Betroffene lernen, ihre Gefühle erst einmal wieder wahr- und anzunehmen und sich selbst keine Schuld daran zu geben, so lange in dieser Abhängigkeit geblieben zu sein. Trotzdem lohnt sich dieser Weg, denn so lernen Patienten sich selbst und Ihre Bedürfnisse wieder besser kennen. Und vor allem: Sie lernen sich selbst zu lieben und in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen.
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