Psychosomatik



Veröffentlicht am

0 Kommentare

Beitrag teilen:

       



Wie wir auf den Menschen bezüglich Gesundheit und Krankheit schauen, hat einen großen Einfluss darauf, welche medizinische Behandlung er erfährt. Ist der Mensch nur krank, wenn sein Körper krank ist – oder steckt da noch mehr dahinter?


Wir leben in industrialisierten Ländern wie Deutschland in einem Gesundheitssystem, das stark von dem Modell des Körpers als Maschine beherrscht wird. Die Mediziner gehen dabei davon aus, dass sich die Ursache einer Krankheit an bestimmten abgrenzbaren Stellen im Körper finden lässt. Ist die „gestörte“ Stelle lokalisiert, braucht es lediglich die nötigen Maßnahmen an dieser Stelle, z.B. durch Medikamente, die darauf wirken oder durch Eingriffe am Körper, um die „Störung“ und damit die Krankheit zu beseitigen. Wird beispielsweise eine Funktionsstörung einer Herzklappe diagnostiziert, lässt sich dies heutzutage durch eine Operation beheben – der Defekt ist beseitigt, das Herz und der Mensch funktionieren wieder wie sie sollen.

Der Mensch ist mehr als nur sein Körper

Folgt man dieser Betrachtung, wird es scheinbar überflüssig nach psychischen oder sozialen Ursachen zu suchen. Es entstand sogar mehr und mehr die Vorstellung, dass psychische Erkrankungen gar keine richtigen Krankheiten sind, so dass diese separat von den „wirklichen“ Krankheiten zu behandeln sind. So existieren im modernen Gesundheitswesen zum einen die somatische Medizin, die kranke Körper behandelt und die psychologische Medizin, die kranke Seelen behandelt. Die Realität des Lebens ist aber, dass sich Körper und Seele nicht strikt voneinander trennen lassen. Organische Krankheiten rufen meist auch psychische Reaktionen hervor und umgekehrt haben psychische Erkrankungen körperliche Begleiterscheinungen.

In der Betrachtungsweise der Psychosomatik werden Seele (Psyche) und Körper (Soma) als Einheit gesehen. Ein Symptom, egal ob psychisch oder körperlich, wird nicht als Defekt gesehen, den es zu reparieren gilt, sondern es wird nach der Bedeutung des Symptoms für die gesamte Person gefragt. Als Zweig der wissenschaftlichen Medizin ist die Psychosomatik ein recht junges Spezialgebiet, das aber viele Parallelen zur naturheilkundlichen Erfahrungsmedizin aufweist. In der traditionellen Naturheilkunde wird der Mensch seit jeher ganzheitlich gesehen. Sowohl die Psychosomatik als auch die Naturheilkunde berücksichtigen die Ressourcen und Möglichkeiten der erkrankten Person und zielen darauf ab die Selbstregulation und Selbstheilung zu stärken, so dass nicht nur Symptome behandelt werden, sondern Gesundheit und Wohlbefinden auch auf lange Sicht aufrecht erhalten werden können.

Arzt und Patient begegnen sich auf Augenhöhe

Der Behandlungserfolg beider Ansätze hängt stark von der Mitwirkung der Patienten ab. Die Patienten sind selbstverantwortliche Partner während der Therapie. Die behandelnden Ärzte oder Therapeuten* geben Anregungen zum Überdenken der persönlichen Lebensführung. Diese mit der gegebenen Unterstützung im eigenen Leben umzusetzen, ist Aufgabe der Patienten.

Dazu muss den Patienten zuerst klar werden, dass sie tatsächlich selbst etwas tun können. Viele, die zum Arzt gehen,, möchten gerne eine schnelle Lösung für ihr gesundheitliches Problem. Nehmen wir beispielsweise jemanden, der unter Unterbauchschmerzen leidet. Von ärztlicher Seite wird zunächst körperlich untersucht, da die Schmerzen das Symptom zahlreicher Erkrankungen sein können.  Was aber, wenn nun keine organischen Ursachen festgestellt werden können? Dies ist keine Seltenheit, wie eine Untersuchung am Universitätsklinikum Salzburg in den Jahren 1995 bis 1998 zeigt: Hier war bei ca. 55% der Patienten mit Unterbauchschmerzen keine Störung der Organe zu finden. Lediglich der Hälfte dieser Patienten wurde angeboten mit einer psychologisch geschulten Person über die Beschwerden zu sprechen. Auch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen schicken die Patienten in solch einem Fall oft “ohne Befund”, also “gesund”, nach Hause - die Beschwerden aber bleiben. Hier hilft es sich an psychosomatisch ausgebildete Mediziner oder Therapeuten zu werden*. Diesen Schritt gehen dann einige Patienten nicht, denn sie wollen ja nicht als “verrückt” gelten. Auch wenn bereits viel mehr Aufklärung im Bereich psychischer Erkrankungen besteht, ist es immer noch überwiegend gesellschaftlich akzeptiert, wenn jemand körperlich krank ist oder auch dass man Stress ausgesetzt ist. Dass man aber unter dem Stress, den inneren und äußeren Konflikten, so sehr leidet, dass dies körperlich krank macht, ohne dass es organisch nachweisbar ist, das ist weit weniger akzeptiert.

Die Funktion einer Krankheit im Leben eines Menschen

Wer bereit ist seine Gesundheit und sein Wohlbefinden mit psychologischer Unterstützung wieder mehr selbst in die Hand zu nehmen, wird mit dem Behandler oder der Behandlerin* zunächst in ausführlichen Gesprächen die eigene Lebenssituation beleuchten, d.h. insbesondere die biografische Vorgeschichte und  das soziale Umfeld. Die biografische Vorgeschichte umfasst alles, was in dem bisherigen Leben eines Menschen passiert ist, z.B. Wo und wie ist man aufgewachsen? Gab es Ereignisse, die besonders im Gedächtnis geblieben sind? Wie verliefen Schule und Ausbildung? Die Fragen nach dem sozialen Umfeld betreffen die aktuelle Situation eines Menschen, z.B. Wo und wie wohnt die Person? Gibt es private und berufliche Kontakte? Wie ist die finanzielle Situation? 

Gemeinsam wird im Anschluss nach der Funktion der Krankheit im eigenen Leben geforscht. Oft stecken Kränkungen, Verluste, Enttäuschungen, unterdrückte Bedürfnisse und seelische Verletzungen hinter einer Krankheit. Hat ein Mensch nicht gelernt mit diesen auf gesunde Weise umzugehen, kann eine Übertragung der seelischen Symptome auf den Körper stattfinden. Ziel in der psychosomatischen Behandlung ist deshalb die Zusammenhänge aufzudecken und Bewältigungsstrategien zu entwickeln, so dass die Symptome, die selbst als unbewusst ablaufende Bewältigungsstrategien angesehen werden können, nicht mehr gebraucht werden.


*Ansprechpartner sind hier Fachärzte für Psychosomatische Medizin & Psychotherapie, Fachärzte für Psychiatrie & Psychotherapie, Psychologische Psychotherapeuten und Heilpraktiker für Psychotherapie







Psychologie
Wichtiger Hinweis: Unser Tagebuch wird von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gepflegt und betreut. Wir bieten keine medizinische, juristische oder psychologische Beratung. Unsere Antworten basieren auf Lebenserfahrungen und der persönlichen Einschätzung unserer Autorinnen und Autoren. Sie sollen den Schreibern helfen, nicht alleine mit ihren Problemen dazustehen, ihnen Mut machen und neue Wege aufzeigen.

© 2024 Sorgen-Tagebuch e.V. - Mit freundlicher Unterstützung der SD Software-Design GmbH