Hochsensibilität: Fluch oder Segen?
Tausend Sinneseindrücke auf einmal, danach die große Erschöpfung: Wahrnehmung bedeutet Anstrengung, für sich und für andere. Aber zu sensibel sein - geht das überhaupt? Was Hochsensibilität ist und wie du sie zu deinem Nutzen einsetzen kannst, erfährst du hier.
"Sei nicht so empfindlich!" - Ein Satz, den bestimmt jeder schonmal gehört hat. Dennoch gibt es Menschen, die diesen Satz deutlich öfter hören, da sie besonders einfühlsam sind und auf bestimmte Wahrnehmungen stärker reagieren als andere - diese Eigenschaft wird Hochsensibilität genannt.
Was genau ist denn nun Hochsensibilität?
Hochsensibilität ist ein angeborener Teil der Persönlichkeit, also keine Krankheit oder psychische Störung, und vor allem: keine Einbildung. Betroffene wissen oft gar nicht, dass sie hochsensibel sind oder dass eine solche Bezeichnung überhaupt existiert. Hochsensible zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie eine intensivere und komplexere Wahrnehmung haben; ihnen fallen Dinge auf, die andere vielleicht nicht wahrnehmen. Oft werden sie deshalb als besonders gute Zuhörer eingeschätzt.
Die Wahrnehmungen hochsensibler Personen reichen von Geräuschen über Licht, Düfte, Menschenmassen, zwischenmenschliche Stimmungen bis hin zu Gefühlen und Emotionen. Was genau Hochsensible dabei intensiver wahrnehmen, ist unterschiedlich, denn Wahrnehmung ist sehr subjektiv. Oft werden negative Reize (z.B. störende Geräusche) besonders stark wahrgenommen. Ein schönes Beispiel dafür ist Die Prinzessin auf der Erbse, denn sie nimmt eine winzige Störung als sehr präsent wahr. Eine solche Überflutung an Reizen bedeutet auch, dass das Gehirn sehr viel mehr verarbeiten muss, was letztendlich dazu führt, dass Hochsensible schnell erschöpft sind und sich öfter erholen müssen; zum Beispiel durch Alleinsein.
Was bedeutet das für den Alltag?
Hochsensible Menschen können sowohl introvertiert als auch extrovertiert sein! Der Zustand kann wie ein flatternder Vogel beschrieben werden, der in einem zu engen Käfig festgehalten wird. Hochsensibilität ist bisher als solcher Begriff vielen Leuten nicht geläufig, weshalb Betroffene oft darunter leiden und in ihrer Wahrnehmung kurz gehalten werden. Eine Einschränkung der Sensibilität kann Depressionen, Migräne, starken Stress und weitere psychosomatische Beschwerden hervorrufen.
Wenn man mit hochsensiblen Menschen umgeht, so sollte einem klar sein, dass ihre Denkstrukturen sich von den eigenen unterscheiden können. Sie verlieren sich oft in Gefühlen und finden es schwer, Dinge objektiv zu betrachten - in Beziehungen bedeutet das zum Beispiel, dass ein Streit oder eine Situation unter Umständen komplizierter zu lösen ist, weil der/die hochsensible Partner/in sich schwer von der subjektiven Wahrnehmung lösen kann.
Hochsensible sind in der Regel visuell-räumliche Denker; das bedeutet, sie denken in Bildern statt in Worten. Für sie ist es daher schwierig, diese Bilder beim Sprechen schnell in Worte umzuwandeln, da sie so viele Details enthalten. Manchmal werden sie deshalb als "langsam im Kopf" abgestempelt, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Aufgenommene Informationen werden oft schneller verarbeitet und können dann sehr poetisch und kreativ beschrieben werden. Dadurch sind Hochsensible oft gut in schöpferischen Hobbys, kreativen Berufen und sozialen Positionen.
Mit Hochsensibilität bewusst umgehen
Wenn du dich selbst darin wiedererkennst, dann solltest du darüber nachdenken, mit deinem Hausarzt darüber zu sprechen. Hochsensibilität ist zwar keine Krankheit, aber die endgültige Diagnose kann nur von einem Arzt erteilt werden. Falls du bereits weißt, dass du hochsensibel bist, dann kannst du dir mit einigen Tricks das Leben etwas leichter machen. Versuche, die Hochsensibilität als eine Bereicherung und besondere Fähigkeit anzusehen, nicht als einen Nachteil oder eine Störung. Schätze, dass du anders denken und komplexer auf Informationen reagieren kannst, als andere! Situationen, die zu Reizüberflutung führen können (Menschenmengen, laute Musik...) solltest du vermeiden, um deine Energien zu sparen. Dazu kannst du bestimmte Listen führen, welche Dinge dich sehr stressen, und diese mit deinen Freunden und Verwandten teilen.
Hochsensibilität ist zwar nicht "weg therapierbar", aber es gibt Möglichkeiten, den Umgang damit zu lernen und bestimmte Techniken anzuwenden, die das Leben leichter machen.
Wenn ein Mensch in deinem Umfeld hochsensibel ist, kannst du besser mit ihm umgehen, indem du deine eigene Wahrnehmung trainierst. So hast du ein besseres Gefühl dafür, was diese Person gerade wahrnimmt. Bildliche Sprache kann bei Unterhaltungen sehr hilfreich sein, vor allem aber solltest du dir Zeit nehmen und auf keinen Fall Kommentare äußern wie "Sei nicht so empfindlich!", "Stell dich nicht so an!" oder "Das bildest du dir ein".
Es gibt verschiedene Formen der Hochsensibilität, daher können sich die Symptome bei jedem anders äußern. Denke daran, dass Wahrnehmung für jeden anders ist - dabei ist es nebensächlich, ob es sich um Hochsensible handelt oder nicht. Deshalb ist ein offener Umgang mit dem Thema insbesondere für diejenigen wichtig, die Hochsensible in ihrem Umfeld haben oder selbst betroffen sind. Ob du selbst hochsensibel bist oder nicht: Sprich mit anderen über deine Wahrnehmung und weise sie auf das Thema Hochsensibilität hin, sodass ihr gegenseitig lernen könnt,euch zu verstehen und Rücksicht aufeinander zu nehmen.
Und nicht vergessen: Sensibilität ist etwas Tolles. Du darfst sensibel sein!
Hier haben wir noch eine kleine Übung, um herauszufinden, wie Hochsensible denken:
Stell dir eine Wiese vor. Wie groß ist sie? Was ist drum herum? Wie gehst du auf der Wiese? Wie hoch ist das Gras? Wie fühlt sich das Gras an? Gibt es Blumen? Welche? Gibt es Insekten, Käfer, Bäume? Ist das Gras trocken oder nass? Ist es angenehm? Gibt es Geräusche?
Wenn du dir all diese Dinge vorstellst und ein detailliertes Bild der Wiese geschaffen hast, bist du sicherlich ganz schön angestrengt davon. Und das ist okay! Gönn deinem Kopf eine kleine Pause. Du hast sie verdient!
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