Teilstationäre Therapie - was ist das?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten sich Hilfe zu holen. Der Aufenthalt in einer Tagesklinik ist eine davon. Wir haben mit einer Tagesklinik in Bad Krozingen gesprochen, damit ihr euch ein Bild davon machen könnt wie so ein Tagesablauf aussieht und für welche Menschen diese Form der Therapie sinnvoll ist.
Sie haben das Konzept der Tagesklinik hier in Bad Krozingen mit entwickelt - was ist das besondere?
Wir haben ein bereits bestehendes Konzept weiterentwickelt und viele Sport- sowie kreative Elemente inkludiert. Sport, das weiß man, hilft zum Beispiel bei depressiven Störungen Medikamente einzusparen - man muss ihn nur machen! Und das ist das, was wir hier in unserem Setting anbieten. Ein großer Teil der Therapie ist medikament-frei und die Rückmeldungen fallen bisher sehr positiv aus. Zusätzlich sind unsere Therapeuten besonders lösungsorientiert und daher nicht ausschließlich an Vergangenheitsarbeit interessiert. Wir wollen mit den Patienten auch planen: Wie will ich eigentlich leben?
Wie sieht so ein Alltag in einer Tagesklinik denn aus?
Die Patienten kommen um acht Uhr morgens zu uns und gehen um halb fünf wieder nach Hause. Es ist von den Zeiten her also vergleichbar mit einem gewöhnlichen Arbeitstag. Das bietet die Möglichkeit, dass die Patienten zwei Welten erleben - die normale “Zuhause”-Welt und die Welt, die hier stattfindet. Dadurch hat der Patient eine viel höhere Dichte an täglichen Therapieeinheiten als in kaum einer anderen psychotherapeutischen Klinik. Die Patienten können vor- und nachmittags zwischen je sechs verschiedenen Therapien wählen, die sie frei kombinieren können. Das geht von Ergotherapie über Sporttherapie bis hin zu Gruppentherapie-Sitzungen.
Zudem gibt es natürlich Pausen, in denen sich die Patienten selbst beschäftigen müssen. In dieser Zeit steht ihnen ein sogenannter Ruheraum sowie eine Couchecke und ein Lesestudio zur Verfügung. Im Haus selbst herrscht Handyverbot, die Patienten können aber natürlich auch mal rausgehen um sich die Beine zu vertreten oder um zu telefonieren.
Für wen ist eine Behandlung in einer Tagesklinik geeignet? Gibt es auch Kriterien die gegen eine Aufnahme sprechen?
Wir können alle Patienten aufnehmen, die nicht suchtkrank, dement oder hochgradig pflegebedürftig sind. Darunter fallen beispielsweise Menschen mit einer Depression, einer Anpassungs- oder einer bipolaren Störung. Die Menschen sollten in der Lage sein einen vollen Tag mit Therapien zu bewältigen, wobei mit Absprache auch mal eine Sitzung verpasst werden darf.
Wie ist denn der genaue Ablauf, wenn man in der Tagesklinik aufgenommen werden möchte?
Nach voriger Anmeldung und einer Überweisung von einem Arzt erhält der Patient die Einladung zu einem Vorgespräch, das ca. eine Stunde dauert. Dabei wird beurteilt, ob diese Therapie zu dem Patienten und seinen Bedürfnissen passt. In diesem Gespräch werden dann auch erste therapierelevante Themen besprochen und Ziele formuliert.
Bei Therapiebeginn werden die Patienten dann von einem Mitpatienten - einem so genannten Paten - herumgeführt. Am ersten Tag findet das Coaching allgemein viel über die Mitpatienten statt. In den ersten Wochen haben die Patienten zusätzlich regelmäßige Einzeltherapie Sitzungen, die sie auch später noch in größeren Abständen wahrnehmen.
Und wie lange dauert die Therapie? Und wer bezahlt diese?
Die Verweildauer ist in der Regel vier bis sechs Wochen - kann aber auch mal länger dauern. Meist wird die Therapie von den Kassen direkt übernommen, da sie günstiger ist als eine vollstationäre Therapie und wir die Patienten direkt aufnehmen können. Die Kassen sind oft auch bereit eine vollstationäre Therapie von Patienten durch eine weiterführende Therapie bei uns abzukürzen.
Gibt es irgendwelche Pflichten, die man als Patient in der Klinik hat? Welche Freiheiten hat man?
Man hat die Freiheit in Absprache mit dem Therapeuten Therapien abzuwählen. Das Ziel ist, dass der Patient mündig entscheidet woran er teilnehmen möchte und woran nicht. Es gibt aber natürlich auch ein paar Pflichten, wie Küchenhilfe, Blumen gießen und Housekeeping, die von den Patienten mit erledigt werden müssen. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe, die Frühstück einkauft und gemeinsam vorbereitet. In Summe gibt es sechs Ämter, die jede Woche vergeben werden und bearbeitet werden müssen.
Gibt es noch etwas, was Sie besonders hervorheben möchten für Menschen, die sich vielleicht noch scheuen eine Tagesklinik aufzusuchen?
Ich würde gerne darauf hinweisen, dass wir den mündigen Patienten, der über alle Prozesse aufgeklärt ist, im Zentrum haben. Dieser wird auch während des Therapieprozesses immer wieder gefragt, ob es auch das ist, was er sich vorstellt oder ob der Prozess angepasst werden muss. Der mündige Patient bleibt erwachsen und soll sich nicht wie ein Schüler fühlen - das wäre nicht therapeutisch. Das Modell der Selbstsorge steht für uns im Vordergrund - das heißt die Anleitung zur Fürsorge für sich selbst.
Über Dr. Patrick Klose:
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist seit Anfang des Jahres 2017 ärztlicher Leiter der Tagesklinik in Bad Krozingen. Die Einrichtung hat 23-30 Belegplätze und vier Ärzte und Psychologen, die für die Patienten täglich da sind. Die psychiatrische Tagesklinik Bad Krozingen ist eine der größten in ganz Süd-Deutschand und ist dem zfp Emmendingen angeschlossen.
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